"Nach dem ersten Teil der Heldenserie
"Wenn Helden reisen..." ist jetzt auch der
zweite Teil erschienen. Ihr werdet schnell merken, daß der
Bericht mit einem
kleinen Augenzwinkern verfaßt wurde. Würde mich über Fragen +
Anregungen
freuen!"
E-Mail: Lünnhut
Wenn Helden rasen...
Heldenepos In 14 Akten
Es war eine unwirkliche Tageszeit.
Die Nacht längst vorbei.
Der Tag noch nicht angebrochen.
Fenster waren verdunkelt. Kneipen
geschlossen.
Der Wind spielte mit einer leeren
Konservendose, die er über den Parkplatz eines
Studentenwohnheimes in Münster rollen ließ.
Doch plötzlich war aus der Ferne ein leises
immer lauter werdendes Motorengeräusch zu vernehmen. Erst
schemenhaft dann immer klarer erschien die Silhouette eines
Kraftradfahrers, der offensichtlich große Seitenkoffer an sein
monströses Gefährt angebracht hatte. Im selben Augenblick
erlosch der Scheinwerfer, verstummte das Motorengeräusch. Der
Motorradfahrer hatte seine Maschine ausgestellt und rollte nun
lautlos über den Parkplatz auf einen zweiten Motorradfahrer zu,
der dort mit seiner Freundin gewartet hatte. Worte wurden
gewechselt. Ein Begrüßungsritual folgte.
Wenige Minuten später horchten die drei
auf. Abermals war ein Motorengeräusch zu hören, diesmal jedoch
ein lautes ohrenbetäubendes aber wohlvertrautes Knattern.
Der dritte Motorradfahrer erschien und wurde von den dreien freudig begrüßt.Dann verging eine Weile. Mit den ausgetretenen Kippen hätte man schon die Typenbezeichnung der fehlenden Maschine darstellen können. Doch als man dann endlich den vierten Motorradfahrer, begleitet von einer Radfahrerin, um die Ecke biegen sah, waren alle wenn auch nur inneren Zweifel verklungen.
Das Heldenepos ohne Drehbuch würde
tatsächlich mit allen vier Akteuren vor noch nichts ahnendem
Publikum mit ungewissem Ausgang aufgeführt werden.
Da wäre als erstes
Fetzen, der
erfahrene XT-Treiber, der über die Grenzen hinaus dafür bekannt
geworden ist, auch das Letzte aus seiner Maschine herauszuholen
und schon auf zahlreichen interkontinentalen Touren sein
Improvisationsgeschick unter Beweis gestellt hat.
Sein langjähriger Weggefährte,
Max, ist für seine Unerschrockenheit und Ignoranz
gegenüber Gefahren, insbesondere Naturgesetzen bekannt.
Sich ihn ohne seine Africa-Twin
vorzustellen, wäre wie Pech ohne Schwefel, Grillen ohne Pils
oder Urlaub ohne Motorrad. Er hat mit seiner AT schon alle Höhen
und Tiefen durchlebt und wird ihr nur untreu, wenn er in seiner
Profession die Gummikuh durch die Gegend scheucht.
Der werdende Vater hat nicht zuletzt wegen
seiner Physis stets den Überblick.
Handwerklich begabt löst er kleine wie
große Probleme nicht nur an seiner Kawasaki 600 KLR.
Das Quartett wird durch
Michi, komplettiert. Der kompetente Fire-Storm-Pilot hat
auf zahlreichen Sauerlandtouren seine Teilnahme an der Tour
legitimiert. Sensibel geht seine Gashand mit dem
großzügigen Drehmoment um, mit der seine Honda VTR 1000
bestückt ist. Das Terrain muß schon ziemlich unwegsam sein,
wenn es auffallen soll, dass er
Der Wunsch, trotz aller Entbehrungen und
Widerstände, in die große Tour eingeführt zu werden, ist den
beiden letztgenannten gemein. Sie wollen die großen Alpenpässe
erfahren. Neue Straßen, neue Kurven, neue Landstriche, neue
Menschen kennenlernen. Aber auch die Belastbarkeit ihrer selbst
und ihrer Maschinen testen.
Sie streben die Einheit von Mensch und
Maschine an.
Alle vier Akteure bilden eine Personalunion
in der Gier nach
grenzenlosem Abenteuer.
1. Akt
Zwei blonde Engel, die das frühe Aufstehen
nicht scheuten, entließen die vier Helden gegen 04.30 Uhr mit
den besten Wünschen in die weite Welt.
Das erste Etappenziel, Delmont (CH), wurde
ohne schwuchteliges Lamentieren über harte Sitzbänke,
ungünstige Sitzpositionen oder Luftzirkulationen am Helm
erreicht.
Die erste gruppendynamische Entscheidung
fiel, als die Schlafplätze verteilt werden sollten: Der
Vergleich von Körperlänge und Zeltmaße machte jede Diskussion
überflüssig. Da bei Markus seinem Zelt lediglich Jennes Füße
draußen bleiben mussten, hatten sich schnell zwei WG gebildet.
Der erste Abend wurde mit einem zünftigen
Faß Bier und gegrilltem Schweinefleisch begangen.
Bei Michi meldeten sich die ersten Vorboten
einer mitgebrachten Virusinfektion. Seine durch die Fahrt
angeschwollenen Handgelenke kühlte er im kalten Strom der Biers.
Da Jenne der Meinung war, man könne sein Mopped nicht hoch genug
Packen, übernahm er ab sofort Michis Rucksack.
2. Akt
Nach dem Ausschlafen und gemütlichem
Frühstück starteten die Vier gegen 11 Uhr zur 2. Etappe, die
sie über Biel/Bienne und Friebourg nach Martigny führte. Auf
dem Umweg über den Jaunpaß setzte die Strecke das erste Mal
kurvige Akzente.
Die letzten kurvigen Akzente wurden
von dem blonden Gift mit dem männermordenden Blick hinter der
Theke der Rezeption vom CP in Martigny gesetzt. Weniger gute
Noten erhielt der CP selbst, da erstens kein offenes Feuer
erlaubt war und zweitens die Wege nicht nur weit, sondern auch
sehr unansehnlich waren. (Goldwing mit peinlichem
Plexiglaszwinger für Papis Pudel auf dem Tank)
3.Akt
In St. Michel erfuhren sie von einem
Gratis-CP, den sie anschließend jedoch bei
Fetzen zeigte am Abend den Teilnehmern
der Tour, was unter einem Erdgrill zu verstehen ist. Michi
bekam fiebergeschwächt von alldem nur noch am Rande etwas mit.
4. Akt
Gutes Timing. Während Michi sich noch
schonte, führten Fetzen und Markus den Jenne in die Geheimnisse
des Unfallberges ein. Gekonnt schraubten sie sich driftend über
endlose Schotterkehren hoch in die lebensfeindliche Zone über
der Baumgrenze. Wie Icespeedwayfahrer überwanden sie
schließlich die letzten Schneefelder vor dem altbekannten
Plateau, das sie mit gigantischen Ausblicken für die
schweißtreibende Plackerei belohnte.
Das nächste Abenteuer war auf dem Galibier
zu bewältigen, wo in einer Rechtskurve erst spät Rollsplitt zu
erkennen war. Doch als wenn sie darauf gewartet hätten, spulten
sie ihre Fahrqualitäten ab und immitierten kurzerhand manuell,
das in anderen komfortableren Maschinen serienmäßige ABS.
(Manchmal ist Gegenverkehr einfach unangebracht.)
Jenne und Michi kompensierten noch mindere
Fahrpraxis durch aufmerksame Fahrweise:
Wer (Verkehrsschilder) lesen
kann, ist klar im Vorteil!
Als weiteres wurde die Strecke zum
Mittelmeer in Pässe abgemessen. Und dort bestanden Jenne und
Michi ihre Feuertaufe. Nichts war mehr so, wie vorher. Jede Form
von Kurven wurde exerziert. Sie verloren ihre
alpenfahrerische Unschuld.
Selbst die 120er bzw. 170er-VTR Kurven auf
der Abfahrt des Galibier, wo Fetzen, laut Sigma-Sporttacho, 327
km/h schnell fuhr, wurden gekonnt gemeistert.
Trotz einsetzender Dunkelheit erreichten sie
Psychos CP. Psycho bestach mit durchdringendem Blick
und geduckter Körperhaltung. Seine Mobilität stellte er
entweder mit seinem 6 km/h Jeep oder mit der Honda
Dax auch auf kürzesten Strecken unter Beweis.
5. Akt
Am 5. Tag wurden viel kleine Pässe
nördlich von Nizza unter die Räder genommen. Auf der
Zooschleife, die nördlich vom Turinipaß abging,
konnten sie Ziegen, Pferde und Bullen in freier Wildbahn
betrachten. Zwei Bullen, die gerade dabei waren, den
Gewaltbegriff neu zu definieren, uns und von Deeskalation
scheinbar noch nie etwas gehört hatten, kamen den Helden, sowie
dem Abhang, dabei gefährlich nahe.
Als sie sich bei der Abfahrt kurzzeitig aus
den Augen verloren, stellte sich das Mitführen von hochmoderner
elektronischer Spitzenkommunikationstechnologie als
vorausschauendes Handeln dar.
Über dem holprigen Tannenzapfencol, der zum
Col de Brause führte, erreichten sie den Ort Sospel, wo gerade
die Startampel zum Großen Preis von de Brouis auf Grün sprang.
Die Rennstrecke wurde in einem hervorragend präparierten Zustand
vorgefunden.
Wenn da nicht immer diese leichtsinnigen
Zuschauer gewesen wären, die sich schier todesmutig den
Piloten in den Weg stellten. Doch diese öffentlichkeitswirksamen
Störaktionen werden wohl nie ganz zu verhindern sein.
Fetzens hintere Bremsscheibe musste am Ende
der flotten Gangart Tribut zollen und schrie bläulich verfärbt
quasi nach einem kurzen Boxenstopp.
Die Strecke zum alten Tendepaß mit seiner
beeindruckenden Festung aus dem letzten Jahrtausend führte
wieder durch unbefestigteres Terrain. Vereinzelte
Geröllsteine dieser ausgewaschenen Piste werden sich noch Jahre
später damit rühmen, VTR-Pneukontakt gehabt zu haben. Die
Festung selbst wurde dann von Jenne und Fetz gestürmt. Beim
Überwinden der fünf Meter hohen, quasi griff- und trittlosen
Mauer vertrauten sie auf ihre intuitiv wirkenden
Kletterfähigkeiten.
Auf dem Rückweg zum CP wurden die Vier
daran erinnert, dass der direkteste Weg auf der Karte nicht immer
gleichbedeutend mit dem kürzesten Weg in der Realität sein
muß. So fuhren sie von Col zu Col zu Col zu Col zu Col...etc.,
was Jenne zum Ausruf: Ich glaub, ich hab nen
Koller!! veranlasste.
Sich schon auf den allabendlichen Umtrunk
freuend fuhren sie in gemächlicher gesetzeskonformer
Auslaufgeschwindigkeit durch eine verschlafene Ortschaft dem CP
entgegen. Diese ungewöhnliche Fahrweise musste wohl einen
einheimischen ZX-7-Fahrer, im Gewand eines Streetfighters, dazu
verleitet haben, in einem kurzen nicht mehr rückgängig zu
machenden Anfall der Selbstüberschätzung , die Frechheit
zu besitzen, sie zu ÜBERHOLEN!!!
Diese provokante Majestätsbeleidigung
konnten die unermüdlichen Helden natürlich nicht sanktionslos
hinnehmen. Als sie aus dem Rückspiegel des Fahrschülers
verschwanden, wurde sich blitzartig, innerhalb weniger Kurven,
wieder an ihn herangebremst. Er sah schnell ein, dass
jegliche Versuche der Gegenwehr schlicht aussichtslos waren und
nicht mal den Begriff Makulatur mit Inhalt füllen konnten.
Die Tatsache, dass er sich einsichtig zeigte und unterwürfig
rechts ran fuhr, um eine scheinbar geplante Zigarettenpause
einzulegen, kam dem Aufmüpfigen strafmildernd zu Gute und so
wurde auf ein Anblinken großmütig verzichtet und es bei einem
kurzen abfälligen Blick von der Seite belassen.
Diese kurze Irritation war jedoch schnell
wieder vergessen, als ihnen beim Eintreffen auf dem CP, aufgrund
der Reaktionen der anderen Camper, schlagartig wieder bewusst
wurde, dass das verwegene Biker-Outlaw-Image fortwährend Bestand
hat:
Spielende Kinder liefen weinend zu ihren
Eltern, deren Gespräche verstummten, Blicke erstarrten. Vögel
hörten auf zu zwitschern. Die Sonne änderte ihre
Umlaufbahn. Der Himmel schien sich zu verfinstern. Jennes
Rülpsen übertönte selbst das Knattern seines Motors.
Zufrieden mit ihrem Tagewerk sanken die
unverbesserlichen Höllenhunde in ihren gerechten Schlaf.
( ...und sie ahnten, dass die kommende Nacht
bei weitem nicht ausreichen würde um ihre gesamten Heldentaten
auch nur halbwegs zu verarbeiten.)
6. Akt
Aus diesem Grund wurde der 6. Tag ein wenig
ruhiger angegangen.
Die relativ kurze Etappe führte das
sympathische Heldenquartett durch das verlassenwirkende Vartal
nach Castellane.
Da sich mittlerweile auch bei Max das Fieber
breit machte, legte er sich unverzüglich nieder, um wieder neue
Kraft zu tanken.
Die anderen nahmen den 14Uhr-Zuch und
begutachteten erst mal die Verschleißerscheinungen an Michis VTR
und dann die Altstadt.
Nach 6 Tagen sexueller Enthaltsamkeit
machten sich bei Michi in der Nacht, beschwingt vom Alkohol,
Entzugserscheinungen breit.
Doch bei Fetzen konnte er an diesem Abend
noch nicht landen. Er vergewisserte sich aber trotzdem der
Diskretion. Erzähl das nicht weiter!
7. Akt
An diesem Tag galt es bei der Umrundung der
imposanten Verdon-Schlucht, kleine bunte bewegliche Hindernisse
wiederholt zu umkurven. Von hier aus noch mal freundliche Grüße
an den Fiat-Barchetta-Club!
Die Cola in Aups stellte sich im Nachhinein
als ziemlich teuer heraus, (sogar noch teurer als die
0,33l-Bierdosen-Schnäppchen für umgerechnet 4,30DM) denn
beim Kaffee mit den Bandidos fiel Max auf, dass er,
wahrscheinlich noch im Fieberwahn, seine Geldbörse verloren
hatte. Vielleicht schon mit einer Vorahnung, dass er nach einem
halben Jahr seine Geldbörse mit allen wichtigen Dokumenten,
insbesondere EC-Karte, (bis auf 250DM) vom Deutschen
Generalkonsulat aus Marseille zurückgeschickt bekommen würde,
trübte dieser Zwischenfall seinen Blick für das Wesentliche
nicht im geringsten:
Da sind mir noch zwei R1-Fahrer
begegnet, - die konnten ja gar nichts!
Das nächste Heldenstück vollbrachten die
Vier in einer hinterhältigen Linkskurve der Verdon-Schlucht.
Dort kreuzte nämlich eine heruntergerissene Stromleitung
die Fahrbahn. Nur durch blitzschnelles Reagieren
-Herunterreißen der Maschine mit sofortigem Wiederaufrichten-
(Der Morgen stirbt nie) konnte ein Sturz und damit das Ende der
Welt verhindert werden. Der letzte Fahrer brachte den Schaden mal
eben kurz, noch während der Fahrt, in Ordnung.
Diese Leistung wurde allerdings vom
Wettergott nicht ausreichend honoriert. Im Gegenteil. Ab diesem
Zeitpunkt hörte es nicht mehr auf zu fisseln. Und wenn die stets
tiefstapelnden Helden von fisseln sprachen, dann
dürfte wohl jedem klar sein, dass es sich um platzregenartige
Ergüsse, die sonst nur in südamerikanischen Regenwäldern
vorkommen, gehandelt haben muß.
Doch auch hiervon ließen sich die
unerschrockenen Helden nicht unterkriegen. Während alle anderen
Camper panisch in betonierte Notunterkünfte flohen, stellten sie
mal eben ihre Höllenmaschinen zu einer Wagenburg zusammen, die
sie mit einer mitgeführten Plane trickreich überdachten.
So konnten sie mit einer Engelsruhe ihr
Abendmahl zubereiten, sich ein Döschen Pils gönnen,
Kartenspielen und ihrem Lieblingsspiel der Tour, dem Boulespiel
mit Dosen, nachgehen.
8. Akt
Am 8. Tag sollten die Pyrenäen anvisiert
werden. Der Adrenalienstoß beim Erkennen eines Stauendes hinter
einer Kurve, machte die Fahrer schlagartig wach, so dass ¾ der
Gruppe aufnahmefähig für die provoncetypischen Schönheiten der
Natur, in Form von prachtvollen Alleen oder geruchsintensiven
Lavendelfeldern, waren. Fetzen: Ich rieche
nichts.
Provonce einfach
schön!
Nach langer Zeit gab es wieder mehr Geraden
als Kurven, auf denen die Jungs ihre Maschinen ordentlich
aufdrehten. Dies veranlasste Max seine Philosophie zu erläutern:
...auf Geraden Stoff zu machen, bringt eigentlich nichts.
Erst die Kurve schreit nach einer gewissen Geschwindigkeit.
9. Akt
Auf dem Weg durch die Pyrenäen stellte der
Zwergenstaat Andorra eine Zwischenetappe dar. Hier konnten Michi
und Jenne fahrerische Akzente setzen. Während Michi die
Fußrasten der vollbeladenen VTR zum Glühen brachte und im
Rausch des Übermuts sogar Führungsarbeit übernehmen wollte,
zeigte Jenne lässig ein 200 Meter-Wheely-Überholmanöver.
Dem aufmerksamen Leser ist es bestimmt schon
aufgefallen, dass die vier Helden sich trotz ihrer unantastbaren
Überlegenheit, gegenüber Amateuren stets als
Underdogs gaben. Nur leichtsinnige böse Zungen haben es je
gewagt, das Gegenteil zu behaupten. Umso verständlicher muß die
Abscheu wirken, die sie bei der Begegnung mit einem großen
Spinner auf einem nordspanischen CP empfanden.
Dieser aus der Art geschlagene Africa
Twin-Fahrer wollte ihnen doch glatt weiß machen, dass er
richtige Action-Filme mit der Kamera in der Hand drehe und
nebenbei noch mit der Ölwanne(!) aufsetzen würde. Da der
erste Blick der Helden auf die an der Twin befestigten
Utensilien, wie Angel und Reifenpiloten, fiel, wusste man
natürlich gleich, wie diese Aussage einzuschätzen war. Nach
zweistündiger Feuerholzsuche zeigten sie diesem Anfänger erst
mal, wie ein richtiges Lagerfeuer gemacht wird. Da dieses
aber bald waldbrandähnliche Ausmaße annahm, (Max:Ich
sammel das Holz doch nicht für umsonst) mussten sie sich
erst mal ihrer Kleidung entledigen.
Sie konnten ja nicht ahnen, dass sich dies
bei den Teenagerinen auf dem CP in Nullkommanichts herumsprechen
könnte und es bald zu tumultartigen Szenen kommen würde.
Da auch Fetzen nicht gegen den Tour-Virus
gefeit war, freuten sich die vier Helden schon auf die Nachtruhe.
Diese wurde allerdings auf das empfindlichste durch eine
Pornohörspielproduktion mit dem Arbeitstitel ???....und
das vibrierende Nymphomanencamp gestört.
10. Akt
An diesem Tag beherrschten großzügig
ausgebaute nordspanische Straßen mit vorbildlich asphaltierten
Kurvengeschlängel die Szenerie.
Ungeübten sei hiervon allerdings abzuraten.
Von dem Fotoshooting beflügelt musste
Fetzen seinen Weggefährten erst mal eine lebensverneinende
Fahrweise exerzieren.
Dabei suchte er das letzte bisschen Gripp
nicht auf der äußersten Rille seines Metzelerpneus,
sondern auf der Reifenflanke, wo er gerne das Herstellerlogo
ausradiert hätte. Diese Bemühungen wurden allerdings durch die
aushebelnde Wirkung der Fußrastenhalterung Einhalt geboten.
Fetzen war wohl der einzige Zweiradpilot in
der nördlichen Hemisphäre, der in dieser Situation die Nerven
behielt und mit einer reflexartigen Lenkerbewegung noch seinen
Kopf aus der Schlinge ziehen konnte.
Auf der abendlichen Anfahrt zum CP erfuhren
sie, dass die Torsionssteifigkeit von spanischem Stangenbrot
nicht allzu hoch ist und lernten trotz tiefstehender Sonne deren
Flugeigenschaften kennen.
Das Wetter wird morgen wieder gut, die
Brote fliegen so tief!
Auf dem CP nähe Jaca hatten sie das
Gefühl, die chronisch hustende Schwester von Psycho
kennengelernt zu haben.
11. Akt
Der 11. Tag begann für Jenne mit einer
Überraschung. Noch ein bisschen schlaftrunken traute er
seinen Augen und Ohren nicht. Wie kann eine Africa Twin ohne
Zündkerzen anspringen? Er hatte bei seiner kleinen
Racheaktion lediglich zwei der vier Zündkerzenstecker gelöst.
Vorausgegangen war ein kleiner Scherz des Twinpiloten, der nur
beiläufig erwähnte, dass er die Riesenkiefernzapfen, die Jenne
schon Hunderte von Kilometern als Mitbringsel für seine
Schwiegermutter transportiert hatte, einfach auf die Straße
geschmissen habe.
Als nächstes stellte Fetzen zum wiederholten Male seine Kühnheit unter Beweis, als er die Treppen einer Aussichtsplattform mit seiner XT erklomm. Ausgesetzt vor der imposanten Schlucht stehend, schien es ihnen fast so, als wären sie allein unter Geiern.
Doch Fetzen hob warnend seinen
Zeigefinger:
Denkt immer daran, jeder zweite der
uns hier entgegenkommt ist ein Terrorist! ...und er
sollte Recht behalten, denn im gleichen Moment fiel in der
nahegelegen Stadt Tolosa ein spanischer Politiker einem
Bombenattentat der baskischen Untergrundorganisation, ETA, zum
Opfer.
Nun konnten sie sich auch einen Reim darauf
machen, warum die verängstigte Bevölkerung jedes mal Deckung
suchte, wenn ihnen die lauten Fehlzündungen der Enduro-Twin
durch Mark und Bein gingen. Da auch die Helden häufig irritiert
waren, als sie dicht hinter der Twin fahrend, oft auch die
Schräglage ausreizend, von dem plötzlichen Feuerstoß
überrascht wurden, nahm sich Jenne dieses Problems an, indem er
mit wenigen Handgriffen und einfachsten Mitteln die
Krümmerverbindung abdichtete.
Seine Reflexe konnte Jenne kurze Zeit
später bei einem plözlichen Bremsmanöver aufgrund eines
Schwertransporters vorführen.
Um der Fire-Storm nicht ins Heck zu fahren,
musste er schon die kompletten Federwege seiner KLR
ausreizen. Hätte er seine Maschine nicht so vorausschauend
überladen, stünde er in dieser Situation gewiß senkrecht in
der Luft.
In der alten Stadt Pamplona wollten sich die
vier unerschrockenen Helden traditionell mit den Stieren messen,
um so die begehrten roten Halstücher zu erlangen mit denen sie
auch äußerlich ihre Verbundenheit darstellen wollten. Leider
hatten die Stiere gerade Siesta.
Und so lieferten sie sich mit dem einzigen
Bullen, der keine Müdigkeit kannte, einen heißen Tanz. In
einem rasanten Finale über kleine kurvenschwangere
nordspanische Straßen zeigte jeder SKK-Teilnehmer nochmal,
was er in den vergangenen Tagen auf tausenden Kilometern und in
zehntausenden Kurven dazugelernt hatte. Markus, der bei seinen
Überholmanövern selbst nadelöhrgroße Lücken nutzte, gab
anschließend mit zittrigen Händen die an sein Krad montierte
Videokamera wieder ab.
Nee Leute, so geht das nicht
weiter!
In Zarautz mussten sie dann auf einem am
Atlantik gelegenen Surfer-CP von der iberischen Halbinsel
Abschied nehmen.
Hier fühlten sie sich gleich heimisch, als
sie die kiffenden münsteranischen Sportstudenten trafen.
Mit den letzten Metern Film wurde der
Vorspann für den bald legendären, weil von der staatlichen
Zensur betroffenen, Motorradfahrerlehrfilm Adventure
sports gedreht.
Da ihnen bewusst wurde, dass am nächsten
Tag auch die Heimreise beginnen würde, hauten sie noch mal so
richtig auf den Putz.
12. Akt
Am nächsten Morgen konnte man feststellen,
dass neben den einiges gewöhnten Helden auch eine
Hinterradspeiche der Twin angeknackst war.
Michi versuchte seine katzenähnliche
Geschmeidigkeit wieder herzustellen,
Trotzdem wollte rückblickend niemand mit
ihm tauschen, da er mit jeder auf der Reise getroffenen Mücke
per du war. Sie hatten ihn so gerne, dass sie ihm auf allen
Extremitäten Andenken hinterließen.
Als Fetz, frisch geduscht, diesbezüglich
äußerte, dass er erst mal einen alten Legionärstrick*
angewandt habe, ließ das natürlich Platz für heitere
Spekulationen.
Am Abend steuerte man einen abgelegenen CP
mit vorbildlicher Feuerlöschausrüstung an.
Als überraschendes Beförderungsmittel für
eine nette holländische Großfamilie inklusive antiquiertem
Firnzelt stellten sich zwei Triumpf-Motorräder heraus.
(*SKK: Spezialkurvenkommando)
(*Legionärstrick: Mit der Hitze der Glut
einer Zigarette, die juckenden Eiweißstoffe des Mückenstiches
auflösen.)
13. Akt
Das Ziel des 13. Tages bestand eigentlich
nur darin, Kilometer zu fressen, um einen günstigen Ausgangsort
für die darauffolgende Parisfahrt zu finden.
Und so kamen sie, vorbei an den imposanten
Schlössern der Loire, ihrem Ziel immer näher.
Die CP-Suche gestaltete sich anfangs etwas
schwierig, konnte dann aber mit der gewohnten Routine
erfolgreich beendet werden.
Der CP-Leiter erkannte sofort welche Ehre im
durch den Besuch der vier Helden zu teil wurde und erlaubte
ihnen großzügig auf seinem englischen Zierrasen ein Lagerfeuer
zu machen.
Daß sein Vertrauensvorschuß nicht
unbegründet war, merkte er, als sie die Feuerstelle
anschließend wieder mit der zuvor herausgeschnittenen Grasnarbe
praktisch unsichtbar verdeckten.
Die Verhaltensweise, einen Biwakplatz so zu
verlassen, wie man ihn vorgefunden hat, brauchten sie nicht groß
zu erlernen, sondern entsprach ihrem verantwortungsbewußten,
naturverbundenen und mit dem Sinn für größere Zusammenhänge
ausgestatteten Naturell.
14. Akt
Das disziplinierte sehr frühe Aufstehen der
an sich langschläfrigen Helden ermöglichte es ihnen, sich der
Pariser Rushhour zu entziehen und dafür die Kurvenlage im
weltberühmten Kreisel des Arc de Triumpf zu testen.
Gefrühstückt wurde dann klassisch mit
Baguette und Käse unter dem Eifelturm.
Im Eiltempo ging es dann über Belgien
zurück in heimische Gefilde.
Der einzige heftige Regen seit Tagen
erwischte sie dann aber noch, wie kann es anders sein, kurz
vor Recklinghausen. Beim Stopp, um die Regenbekleidung anzulegen,
ärgerten sie sich über eine eisglatte Auffahrt eines
BMW-Autohauses.
Die weitere Heimfahrt verlief dann aber ohne
Zwischenfälle und so konnten sie ihr wohlverdientes
Abschlussbier im Barfög in Münster trinken.
Warum aber die beiden Jens ihr Bier
quasi auf ex tranken kann heute nicht mehr genau
geklärt werden.
Abschließend kann festgestellt werden, dass
in 14 Tagen ca. 5000 Kilometer zurückgelegt und unzählige
Abenteuer ohne Verletzungen und nennenswerte Sachschäden
bewältigt wurden.
Alle Teilnehmer wurden ihrem Ruf auch
in Extremsituationen gerecht.
Jeder einzelne verstand es auf seine eigene
Art, sich selbst zurückzunehmen und das Wohl und die
Zusammengehörigkeit der Gruppe stets in den Vordergrund zu
rücken.
Was die vier rhetorisch speziell geschulten
Helden auf dieser Reise für sich gewonnen haben, können selbst
sie nur schwer in Worte fassen.
Schalten sie auch das nächste mal wieder
ein, wenn es dann vielleicht heißt:
Wenn Helden gereizt werden...